24.06.2024: Europawahl – OB-Wahl – Kommunalwahl 2024 Ausdruck lebendiger Demokratie oder politischer Zersplitterung?

1. Einführung (Winfried Thaa)

Am 9. Juni war in ganz Europa Wahltag, in Baden-Württemberg zusätzlich noch Kommunal- und Kreistagswahlen.

Bereits vor Monaten hatten wir uns vorgenommen, nach den überraschenden Ergebnissen der OB-Wahlen in Rottenburg mit den Erfolgen unabhängiger Kandidaten, einen Gesprächskreis dem Thema „Zerfall des Parteiensystems“ zu widmen. Ich darf vielleicht vorweg daran erinnern, dass es in Rottenburg in letzter Zeit zwei Bürgerinitiativen gab, die gegen Rathausspitze und Gemeinderatsmehrheit erfolgreich waren, einmal zum geplanten Gewerbegebiet in Kiebingen und beim zweiten zum Schlachthof. Bei der OB-Wahl in diesem Frühjahr konnte der Amtsinhaber, trotzt breiter Unterstützung durch die Parteien, im ersten Wahlgang keine Mehrheit erzielen und das gegen Kandidaten, die keine Parteien hinter sich hatten und persönlich sowie hinsichtlich ihrer fachlichen Eignung keineswegs unumstritten waren. Offensichtlich gibt es - zumindest in Rottenburg - eine große Unzufriedenheit, vielleicht sogar Wut und den weit verbreiteten Wunsch, es den etablierten politischen Kräften mal so richtig zu zeigen. Von daher stellen sich uns die Fragen:

  1. Ob sich diese Tendenz zur Abkehr von CDU, SPD und Grünen in Rottenburg auch bei der Kommunalwahl fortsetzen würde.
  2. Ob bzw. wie weit diese Tendenz in Rottenburg besonders stark ausgeprägt ist oder nicht doch über die Besonderheiten der Kommune hinaus für einen womöglich in ganz Deutschland und vielleicht sogar in ganz Europa zu beobachtenden, anhaltenden Niedergang der repräsentativen Demokratie steht.

Es bietet sich deshalb an, den terminlichen Zusammenfall von Europa- und Kommunalwahl für eine vergleichende Analyse zu nutzen. Karl hat dazu eine große Menge an Daten zusammengetragen und wird uns nun eine Auswahl davon präsentieren, die - da verspreche nicht zu viel - einige überraschende Zusammenhänge aufdecken und manches klären wird, sicher aber auch eine Reihe von Fragen aufwerfen dürfte

 

2. Impuls (Karl Schneiderhan)

Vorbemerkungen:

Agenda

  1. Ausgangslage im Vorfeld der Wahlen (Fakten, Stimmungen, Einschätzungen)
  2. Ausgewählte Ergebnisse zu Europawahl, OB-Wahl und Kommunalwahlen
  3. Analyse der Ergebnisse (wahlentscheidende Einflussfaktoren, Bewertungen)
  4. Folgerungen zur Stärkung der Demokratie (Haltungen, Kommunikation, Maßnahmen)

Ausgangslage und Ergebnisse Europawahl

Bei Umfragen im Vorfeld der Europawahl zeigte sich hinsichtlich Zuversicht und Zufriedenheit folgendes Stimmungsbild, wie die Graphiken zeigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die kritischen Werte gegenüber 2019 in allen Bereichen gestiegen sind. Dies gilt auch für die Ansichten über die Europäische Union.

Folien zur Europawahl

Die CDU kann ihre Stimmenanteile gegenüber 2019 um +1,1% leicht erhöhen. Die CSU bleibt unverändert, erreicht aber in absoluten Zahlen mehr Stimmen als bei der Landtagswahl 2023. Die Grünen verlieren knapp -9% und auch die SPD, bereits auf niedrigem Niveau, verliert nochmals -1,9%. In die Bedeutungslosigkeit fallen die Linken. Erhebliche Zugewinne verzeichnen die AfD und die erstmals angetretene BSW mit 6,2%. Alle anderen Parteien erreichen zusammen einen Wert von über 14%, insbesondere Volt legt zu.  

Aufschlussreich sind die Wählerwanderungen. Von den Grünen zur Union sind dies 560.000 Wähler, 150.000 gingen zur BSW, immerhin 50.000 zur AfD und 540.000 wanderten ab zu den Nichtwählern. Die AfD profitierte von bisherigen Unions- und SPD-Wählern, jeweils in gleichem Umfang 570.000 Wechselwähler und von der FDP 430.000.

Im Ländervergleich erreichte die AfD in den westlichen Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit 14,7% die höchsten Stimmanteile mit Ausnahme des Saarlandes mit 15%, das mit den beiden Flächenländern aber nicht vergleichbar ist. Dagegen lagen der Stimmenanteil für die AfD in Berlin bei 11,6% und in NRW bei 12,2% und das in einem Flächenland, das sozial und wirtschaftlich weit größeren Herausforderungen ausgesetzt ist als BW. Auffallend ist zudem, dass in der Regel in Städten, das trifft auch auf andere Bundesländer zu, die Stimmenanteile für die AfD niedriger sind, aber auch in ländlichen Regionen fallen die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus.

Wahlentscheidend war bei dieser Wahl im Unterschied zu 2019 die Bundespolitik. Nur für 38% der Wähler war die EU wahlentscheidend. Viele Wähler waren der Meinung, dass der Bundesregierung ein Denkzettel verpasst werden muss. Besondere Aufmerksamkeit verdient bei dieser Wahl die Stimmenanteile nach Alter, wie die folgende Graphik zeigt. 

 

OB-Wahl in Rottenburg 2024

Die folgenden Graphiken geben Auskunft über die Ausgangslage, die Ergebnisse der beiden Wahlgänge sowie über die letztlich wahlentscheidenden Einflussfaktoren. Letztere geben insbesondere darüber Auskunft, weshalb zwei Wahlgänge notwendig wurden.

 Folien zur OB-Wahl

Kommunalwahl Rottenburg 2024

Erstmals ziehen 10 Fraktionen bzw. Gruppen in den Gemeinderat ein, zum Teil nur mit einem oder zwei Sitzen.

Im Vorfeld wurde insbesondere die Frage diskutiert, ob und inwieweit sich das Protestpotential bei Europawahl und OB-Wahl, insbesondere in einzelnen Stadtteilen, bei der Wahl zum Gemeinderat bestätigt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Protestpotential auf mehrere Listen verteilt. Die OB-Wahl war eine auf Personen zugespitzte Auseinandersetzung und die Europawahl auch eine Abrechnung mit der Bundespolitik, während bei der Kommunalwahl viele bekannte städtische Gesichter zur Wahl standen. So erhielten die beiden Listen der früheren OB-Bewerber weit weniger Zustimmung als erwartet. Auch CDU und SPD konnten nach dem Einbruch vor 5 Jahren nicht mehr zur alten Stärke zurückfinden. Ein Grund dafür ist, dass sich das Verhältnis zwischen den etablierten Parteien und den freien Wählerlisten nochmals zuungunsten der Parteien entwickelt hat, wie die anschließenden Graphiken zeigen, ein weiterer Rückgang der „etablierten“ Parteien gegenüber den freien Wählerlisten, die seit 2014 um 15% zugelegt haben und nun mit 41,1% weit über dem Landesdurchschnitt mit 35% liegen.

Die folgenden Graphiken geben Auskunft zur Ausgangslage, zu den Ergebnissen, zur Zusammensetzung, zu Ergebnissen ausgewählter Wahlbezirke, wo das Protestpotential bei OB-Wahl und Europawahl besonders hoch bzw. niedrig ausgeprägt war. Zudem folgt eine Bewertung allgemeiner Trends, der Parteien CDU und SPD sowie von FaiR und Bunte Liste. Abschließend werden ausgewählte Beispiele genannt, wie nach diesen Wahlen das Vertrauen in Politik und Demokratie sowohl in der Gesellschaft wie auf lokaler Ebene gestärkt werden kann.

Folien zur Kommunalwahl und Einschätzungen 

 

3. Diskussionsbeiträge (Protokoll Rudolf Uricher)

Zur Europawahl:

Zu OB-Wahl und Kommunalwahl

Zur Rolle von Presse und Medien

 

Winfried Thaa beschließt den Gesprächskreis mit dem Dank an alle für die Mitwirkung und die Gesprächsbeiträge.

 

 

 

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