30.6.2025 Der Nahostkonflikt - Blockaden und Auswege
- Begrüßung und Einführung (Winfried Thaa)
Ich darf Sie alle zu unserem heutigen Gesprächskreis zum Thema ‚Der Nahostkonflikt – Blockaden und Auswege‘ herzlich begrüßen.
Wir haben uns schon vor mehreren Monaten dazu entschieden, diesem Thema einen Gesprächskreis zu widmen. Dabei konnten wir nicht wissen, dass
- die Gewalt im Gazastreifen zu immer neuen Exzessen führen und bis heute kein Ende nehmen würde und
- durch den Krieg zwischen Israel, den USA und dem Iran der Konflikt nun eine neue Aktualität und Dramatik gewonnen hat, auf die wir sicher gern verzichtet hätten.
Die ursprüngliche Absicht, die wir mit dem Thema Nahostkonflikt verbanden, war nicht so sehr, den Terror der Hamas oder die völkerrechtswidrige Kriegsführung Israels im Gazastreifen zu diskutieren. Das geschieht in den Medien täglich und hat mittlerweile auch zu Konflikten in der deutschen und - mehr noch - der europäischen Politik geführt. Wir wollten und wollen mit unserer Themenwahl immer noch die Hintergründe dieses jahrzehntelangen Konfliktes beleuchten und fragen, warum eigentlich immer wieder alle Bemühungen gescheitert sind, diesen einer Lösung näher zu bringen.
Dazu haben wir heute mit Prof. Dr. Peter Pawelka einen ausgewiesenen Experten gewinnen können. Wer in Tübingen Politikwissenschaft studiert hat, kennt Prof. Pawelka, egal ob er wie ich in den 70er Jahren oder erst vor ein paar Jahren sein Studium abgeschlossen hat.
Prof. Pawelka begann 1969 als wissenschaftlicher Assistent von Theodor Eschenburg in Tübingen zu lehren und hat auch noch nach seiner Emeritierung im Jahr 2007 mehrere Vorlesungsreihen im Rahmen des Studium Generale organisiert und durchgeführt.
Als ich in Tübingen mit dem Studium begann, stand der Name Pawelka für Systemtheorie. Das hat sich mit dem von ihm bald darauf vorangetriebenen Aufbau eines eigenen Arbeitsbereiches Vorderer Orient am Institut für Politikwissenschaft dann geändert.
Prof. Pawelka hat mich gebeten, ihm nicht durch eine lange akademische Einführung die knappe Vortragszeit wegzunehmen. Deshalb erwähne ich nur noch kurz, dass er sich durch eine Vielzahl von Veröffentlichungen auf diesem Gebiet einen Namen gemacht hat, etwa mit dem 1993 erschienenen Buch ‚Der Vordere Orient und die internationale Politik‘ oder dem 2004 erschienenen ‚Religion, Kultur und Politik im Vorderen Orient‘.
Wir freuen uns, dass wir zu diesem sicher ebenso komplexen wie brisanten Thema des Nahostkonflikts einen der renommierten Experten gewinnen konnten und sind jetzt gespannt auf den sicher nicht ganz einfachen Versuch, in kurzer Zeit etwas Licht in diesen bereits seit Jahrzehnen anhaltenden und vielfach verwickelten Konflikt zu bringen.
- Impulsvortrag (Prof. Dr. Peter Pawelka, Tübingen)
Der Impulsvortrag von Professor Pawelka ist über diesen Link zu erreichen.
- Austausch und Diskussion (Protokoll Rudolf Uricher)
Die erste Frage zielte darauf ab, wie utopisch der von Prof. Pawelka skizzierte Ausweg, vor allem über Wirtschaftsprojekte sei.
Ein weiterer Teilnehmer weist auf Informationen von Prof. Michael Wolffsohn hin, die über die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht werden und regt an, auch die Erkenntnisse von Prof. Pawelka dort einzubringen. Pawelka merkt dazu an, dass die bpb im Auftrag der Bundesregierung handelt. Von daher hätten die von ihm vertretenen Positionen wohl weniger eine Chance, dort veröffentlicht zu werden.
In einem weiteren Beitrag wird die Frage gestellt, ob es im Hinblick auf eine Lösung nicht notwendig ist, den föderativen Ansatz in den Vordergrund zu stellen und die nicht realisierbare Zwei-Staaten-Lösung auf die Seite zu legen. Nach Auffassung von Prof. Pawelka wäre der föderative Ansatz als Vorstufe für einen bilateralen Staat zu sehen. In der gesamten Befassung werde vieles als zu utopisch angesehen und deshalb werde im Wesentlichen auf kurzfristiges gesetzt.
Im Hinblick auf den Lösungsansatz über Wirtschaftsprojekte weist ein Beitrag darauf hin, dass das in den 90er Jahren praktizierte Prinzip ‚Wandel durch Handel‘ an Bedeutung verloren habe, was verschiedene Konflikte bestätigen.
Gefragt wird nach der Rolle Ägyptens als großem Land der Region. Prof. Pawelka, der u. a. Jahrzehnte über Ägypten gearbeitet hat, sieht dort aktuell kein Potenzial für eine Konfliktlösung. Die autoritären, aufeinander folgenden Systeme des Landes werden aufgrund der Größe des Landes immer wieder finanziert durch die USA und andere, suchen aber keine aktive Rolle. Die Finanzierung (u. a. der Erdölstaaten) fördert keine eigenständigen Strukturen, sondern fixiert eher die vorhandene Abhängigkeit. Ob die aktuelle Machtveränderung in der Region etwas bewegt, müsse sich zeigen.
Weiter wird gefragt, ob es in Israel Kräfte gibt, die eine Entwicklung vom autoritären Staat zu einem föderativen Staat erreichen wollen. Prof. Pawelka bewertet die Situation so, dass auch liberale Kräfte im akademischen Bereich bislang nie so weit gegangen sind. Aktuell sieht er keinen Veränderungsdruck. Israel sei in einer Position, in der es sich „alles erlauben kann“. Hierzu wies er auf die prekäre Situation in Gaza hin. Gefährliche Situationen für Israel halten die Menschen in der Reaktion darauf zusammen. Aktuell sei es daher schwierig, eine Lösung zu sehen oder zu finden. Entsprechende Stellschrauben seien nicht erkennbar. In Israel sei aktuell dazu niemand bereit. Auch aus dem palästinensischen Bereich seien keine Initiativen erkennbar. Die Palästinenser sehen sich nach wie vor in der Opferrolle.
Es wird nachgefragt, was denn die Zwei-Staaten-Lösung wäre und welche Probleme sich dabei ergäben. Hierzu führt Prof. Pawelka aus, dass bei der Zwei-Staaten-Lösung Israel dort bleibt, wo es ist und für die Palästinenser das Staatsgebiet aus Westbank und Gazastreifen bestehen würde. Ökonomisch sei ein solcher Staat aber nicht existenzfähig, bliebe autoritär und sei abhängig von Geldern von außen. Zudem sieht Israel in einer solchen Lösung ein Sicherheitsrisiko.
Weitere Frage: Welche Vorstellungen gibt es im arabischen Teil der israelischen Bevölkerung? Prof. Pawelka bewertet dies so, dass sich dieser Bevölkerungsteil mit Israel arrangiert, weil sie dort besser leben können. So können die Kinder eine entsprechende Bildung erlangen und haben u. a. in Europa gute Berufsaussichten. Außerdem gebe es im Hinblick auf eine Integration auch arabische Parteien.
- Abschluss und Dank (Winfried Thaa)
Prof. Thaa dankte abschließend Prof. Pavelka für die sehr anschauliche und fundierte Präsentation. Ebenso ging der Dank an die Teilnehmenden für die interessierte Diskussionsrunde.
Information der Bürgerstiftung Rottenburg:
Dr. Walter Hahn, Vorsitzender der Bürgerstiftung, informiert über eine Initiative in Kooperation mit den weiterführenden Schulen. Im Rahmen dieser Initiative sollen neue Gesprächs-/Kommunikationsformate zwischen jüngerer und älterer Generation erprobt werden, wie dies der politische Gesprächskreis bereits im Dezember 2024 praktiziert hat. Dazu organisiert die Bürgerstiftung zwei Diskussionsrunden, zusammen mit dem EGB (22.07.2025) und dem SMG (24.07.2025), jeweils am Spätvormittag. Interessierte aus dem Gesprächskreis sind herzlich eingeladen, sich daran zu beteiligen. Interessierte können sich gerne bei Walter Hahn oder Rudolf Uricher melden. Ihre Kontaktdaten:
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